Ohne Ursprungsfamilie in die (Vor-)Weihnachtszeit

Heute wird es um nichts Yogisches gehen. Heute geht es um das Er-Leben von meinem Alltag ohne Ursprungsfamilie. Eventuell könnte der Blogpost triggern. Ich verzichte auf detaillierte Gewaltbeschreibungen und/oder Details. 

Jetzt, in der stillen Zeit, spüre ich in meine Lebenssituation intensiv hinein, merke was stimmig ist und wo ich mich sehr wohl fühle. Ich traue mich aber auch hineinzuspüren in die Bereiche, die nicht täglich auf meiner Agenda stehen, wo ich aber merke, dass da noch nicht alles so verarbeitet ist, wie ich es mir manchmal wünsche.

Ich verstehe Verarbeiten als einen Prozess, der mal schnell, mal weniger schnell ist und manchmal eben auch sehr lange dauern kann. Manchmal meine ich auch, eine Situation, ein Ereignis sei verarbeitet und dann kommt es wieder hervor und ich stelle mich ihm wieder auf ein Neues.

So geht es mir mit dem Thema Ursprungsfamilie. Knappe 20 Jahre habe ich zu dieser Familie keinen Kontakt mehr. Es war ein von mir gewählter freier Wille, weil ich aus dieser Destruktivität und Gewalt aussteigen wollte.

Es war mir bereits in sehr jungen Jahren klar, dass ich ein anderes Leben leben möchte, als es mir vorgelebt wurde. In den vielen Jahren gab es immer mal wieder Kontakte zu jüngeren Nichten, die den Absprung dann leider doch (noch) nicht geschafft haben. Für mich war aber immer klar, dass mein physischer und psychischer Schutz an erster Stelle steht und so hatten diese Kontakte leider keinen Bestand.

Ich schreibe darüber, weil jetzt bald die Vorweihnachtszeit und somit der alljährliche Wahnsinn beginnt. Alljährlicher Wahnsinn deshalb, weil wir ständig und überall darauf gestoßen werden, dass wir uns auf das Familienfest freuen sollen. Natürlich sollen wir auch konsumieren. Und auch wenn ich meistens sehr abgeklärt weiß, dass es in unserer Gesellschaft häufig ausschließlich um den Konsum geht und es sehr wenige Familien gibt, die wirklich frei und fröhlich zusammen eine schöne Zeit verbringen, spüre ich doch immer mal wieder einen Stich in der Herzgegend. Mir wird dann (manchmal schmerzlich) bewusst, dass ich eben nicht mal einfach zu meiner Familie fahre. Dass ich nichts an Weihnachten vorhabe. Dass ich mich nicht auf „Onkel Heinz“ freue. Dass mir nicht das Wasser im Mund zusammenläuft, weil ich an Omas Braten denke. Diese Liste kann ich mit vielen Dingen füllen, die für andere selbstverständlich und „normal“ sind.

Viele Jahre hielt ich es geheim, dass ich keine Ursprungsfamilie (mehr) habe.

Es war mir unangenehm darüber zu sprechen, weil es einerseits sehr schmerzlich für mich war und aber auch, weil ich (übrigens bis heute) das Unbehagen vieler Menschen spüre wenn ich sage, dass ich Weihnachten zu Hause alleine verbringe. Ich bin verheiratet und mein Mann und ich haben schon sehr viele Weihnachten zu zweit zu Hause verbracht (was ich sehr empfehlen kann). Aber wenn er an den Feiertagen zu seiner Familie fährt, bleibe ich häufig zu Hause. Nicht, weil ich meine Schwiegerfamilie nicht mag. Sondern weil ich eine gewisse Distanz gegenüber „Familie“ lebe, die ich an Weihnachten/Ostern etc. besonders spüre.

Ich habe Gewalt innerhalb der Familie erlebt. Über viele Jahre gab es in meinem Leben nichts außer dieser gewalttätigen Familie, die bei mir auch an Feiertagen/Geburtstagen/anderen Festen ebenso gewalttätig war. Diese Verknüpfung, die da in meinem Gehirn stattgefunden hat, ist schwer aufzulösen. Und ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich über die Jahre hinweg schlichtweg andere, schwerwiegendere Baustellen hatte, als Weihnachten und Co. Es war und ist mir den Aufwand, den ich betreiben müsste um ein entspanntes Fest zu leben nicht wert.

Nichtsdestotrotz gibt es diese Momente, die mich sehr traurig machen. Da vermisse ich die klassische Familie. Nicht meine Ursprungsfamilie. Sondern Familie, wie sie mir in der Werbung gezeigt wird und wie sie vielleicht so manch einer auch hat. Da vermisse ich den Weihnachtsbraten, die Geschenke unter dem Baum, das Zusammensein. Ich habe für dieses Empfinden mittlerweile Verständnis.

 Ich verspüre Mitgefühl für mich als Erwachsene und auch für das Kind, welches ich mal war.

 Dieses Mitgefühl mit mir selbst gilt es besonders in den nächsten Wochen zu stärken. So dass mich die Vorweihnachtszeit nicht klein werden lässt. Und um das Mitgefühl zu stärken, hilft mir die Metta-Meditation. Ich empfehle Anfängern ausschließlich die erste Stufe zu praktizieren, nämlich das Mitgefühl mit sich selbst. Wenn du dich innerhalb dieser Stufe sicher fühlst, gehe weiter. Schritt für Schritt. Auch wenn ich alle Stufen schon praktiziert habe gibt es Zeiten, wo auch ich ausschließlich die erste Stufe praktiziere. Das sehe ich nicht als Rückschritt, sondern als Anpassung meiner Situation, in der ich mich befinde.

Namasté.

Jenny.