Warum ich keine (Yoga-) Morgenroutine habe

Ich bin eine bekennende Yogini, angehende Yogalehrerin, Bloggerin, Instagramerin und ich habe keine spirituelle Morgenroutine! Jetzt ist es raus!

Ich habe keine spirituelle (Yoga-) Morgenroutine!

Ich stehe weder um 4 Uhr auf, um mich singend und/oder meditierend mit dem Sonnenaufgang auf den Tag vorzubereiten, noch übe ich Asanas am frühen Morgen. Mein erster Gang geht nicht zu meinem Altar, wo ich eine Kerze anzünde und mein Gebet spreche.

Mein Morgen sieht wie folgt aus:

Mein erster Gang geht zur Kaffeemaschine und ich trinke in Ruhe und voller Hingabe Kaffee. Manchmal mit dem Ehemann, manchmal ohne ihn. Mit ihm macht es mehr Spaß, weil wir uns morgens immer viel zu erzählen haben, aber auch ohne ihn genieße ich die Zeit mit meinem Kaffee sehr. Manchmal lese ich etwas oder schreibe Tagebuch. Das ist aber eher selten. Meistens starre ich einfach Löcher in die Luft.

Wenn ich fertig bin mit dem Kaffeetrinken, was übrigens schon mal bis zu einer Stunde(!) dauern kann, springe ich unter die Dusche, um dann frisch und energetisiert mit dem Hund Gassi zu gehen. Wenn ich morgens das Haus sehr früh verlassen muss wegen eines Termins, übernimmt der Mann den Hund und ich gehe meist ohne ein Gebet, ein Mantra, eine Meditation oder Asanapraxis aus dem Haus. Das Kaffeetrinken nimmt mich so in Beschlag, dass am Morgen einfach keine Zeit für die Spiritualität ist. Und das ist völlig okay und gut so!

Ich entscheide mich für meine Kaffeeroutine und gegen die spirituelle Morgenroutine.

Natürlich hatte ich lange ein Bild von mir als Yogini, die morgens all die Dinge tut, die eine Yogini so zu tun hat.

ÄHMMM…Moment mal….Wer sagt eigentlich, dass eine Yogini all diese Sachen tun MUSS?!? Okay, in alten Schriften und auch in ein paar neueren, steht so manches geschrieben. Und auf Instagram und Blogs wird uns fast schon entgegen geschrien, dass die spirituelle Praxis am Morgen unseren ganzen Tag positiv gestaltet. Ach, was sag ich: Unser ganzes Leben hängt davon ab!

Es geht um Manifestationen. Es geht um Disziplin. Und es geht um DOGMEN. Versteh mich nicht falsch, ich bin für einen positiv gestalteten Morgen, der dir die Kraft und die Energie für den Tag bringt. Niemand sollte sich morgens schon abgehetzt in seinen Tag stürzen. Einverstanden. Aber ich bin gegen eine Verpflichtung der spirituellen Morgenroutine! So unterschiedlich wir alle sind, so unterschiedlich sind auch die Dinge am Morgen, die uns gelassen und selig in den Tag starten lassen. Wir sind keine programmierbaren Roboter!

Im Moment kommt es mir so vor, als dürfe Mann/Frau nicht wählen, wie die eigene spirituelle Praxis auszusehen hat. Auf Social Media wird uns täglich eingetrichert, dass wir nur glücklich werden, wenn wir die Morgenroutine einhalten. Nur dann werden wir zufrieden und glücklich sein. Ich halte das für Bullshit.

An einer anderen Stelle habe ich schon mal geschrieben, dass es dem Yoga völlig egal ist, wann du ihn praktizierst. Und wenn du auf dem Yogaweg bist, praktizierst du sowieso den ganzen Tag. Immer mal wieder:

  • Ich bleibe an roten Ampeln immer stehen und übe Tadasana. Die Berghaltung.
  • Stehe ich in einer Schlange an, atme ich mehrmals tief in den Bauch.
  • In der Straßenbahn schließe ich die Augen und spüre, wie es mir gerade geht.
  • Ich lese in der Bhagadvad Gita, wenn ich auf den Zug warte.

Meine Liste der Dinge, die ich so als Yogapraxis verstehe, ist lang und ändert sich häufig. Für mich ist Flexibilität eine Notwendigkeit, da ich durch meine Erkrankungen manchmal sehr eingeschränkt bin und eine tägliche Asanapraxis gar nicht möglich wäre.

Es ist schön, wenn du Asanas praktizierst, aber die Welt geht auch nicht unter, wenn du die Asanapraxis mal einen Tag auslässt. 

Ich wünsche uns allen einen entspannten Umgang mit dem Yoga. Einen entspannten Umgang mit Routinen. Einen entspannten, gütigen, wohlwollenden Umgang mit uns selbst.

Namasté.

Jenny