Viele, die noch nie einen Yogakurs besucht haben, gehen häufig davon aus, dass man im Yoga keinen Mucks von sich geben darf. Man schleicht ganz leise auf eine freie Matte und wartet bis die Yogalehrerin mit einem Gong die Stunde beginnt. Dann flüstert die Lehrerin eine Reihe von Asanas, den sogenannten Karanas in den Raum hinein und du bist ganz alleine mit dir und dem Yoga. Am Ende gibt es die Schlussentspannung und man geht sehr beseelt und ruhig aus der Stunde in das laute Leben zurück.
Ehrlich gesagt: Ich habe eine solche Yogastunde noch nie erlebt! Und noch ehrlicher gesagt: Ich wünschte, es gäbe solche Yogaklassen, denn dann würde ich gerne wieder welche besuchen.
Ich bin eine Yogini, die die Stille liebt. Wenn ich zum Yoga gehe, möchte ich vorher meist keinen netten Plausch halten. Ich möchte mich, so wie oben beschrieben, auf meine Matte setzten, mich langsam darauf einlassen, dass ich jetzt gleich in den Innendialog mit mir selbst gehe. Ich liebe es, wenn ich auf der Matte erst mal die Augen schließen und mich und meine Umgebung erspüren darf. Das kann ich allerdings nur, wenn ich nicht Gefahr laufe angesprochen (noch schlimmer „angetippt“) zu werden, dass niemand über mich drüber steigt (in sehr vollen Räumen ein häufiges Problem), ich mehrmals meine Matte zur Seite schieben muss und ich ein lautes Gebrabbel um mich höre, was jegliches „in mich hineinhören“ unmöglich macht.
Wir Menschen neigen in Gruppen dazu uns ständig zu unterhalten. Da sind die Freundinnen, die sich eben nur beim Yoga treffen und sich ihre Woche erzählen. Da sind Frauen, die sich sehr sympathisch sind und sich näher kennenlernen möchten und damit sofort während der Yogaklasse beginnen. Da sind zwei Männer, die sich zusammen ins Yoga getraut haben und jetzt über jede Asana sprechen müssen. Und so weiter…
Ich finde es schön, wenn die SchülerInnen sich achtsam im Raum einfinden und es eine Anfangsrunde gibt, wo jede/r kurz mitteilt, wie es ihm geht und was er gerade mitbringt. So weiß ich als Schülerin auch, wer sich mit mir im Raum befindet, sollte es kein geschlossener Kurs sein. Wer nichts sagen möchte, muss das natürlich auch nicht -is klar! Ich weiß, dass das nur in kleinen Yogaklassen umsetzbar ist. Aber ich sehe den Yoga -meinen Yoga – eben auch nur in kleinen Gruppen.
Wenn es dann in die Asanapraxis geht, mag ich es ruhig. Selbstverständlich erwarte ich nicht, dass niemand einen Ton sagt, nichts fragt und sich dadurch unwohl oder unsicher fühlt. Natürlich nicht! Jeder Schüler, jede Schülerin darf alle Fragen stellen, die zur Yogastunde und zur jeweiligen Asana passen. Aber manchmal wird in der Yogastunde sehr viel erläutert, erklärt, angeleitet, so dass es für mich schwierig ist, ganz bei mir zu bleiben. Auch Musik während der Asanapraxis finde ich störend.
In einer stillen Yogaklasse soll, muss und darf auch gelacht werden!
Wenn z.B. eine Asana angeleitet wird und wir SchülerInnen stehen wie ein „Ochs vorm Berg“ und verstehen gar nicht worum es geht, oder eine Atemübung hat uns so viel abverlangt, dass wir danach aus purer Erschöpfung nur noch laut losprusten können, finde ich das sehr erhellend, erheiternd und lösend. Yoga macht Spaß und das darf man auch sehen und hören 😉
Ihr Lieben, all das, was ich beschrieben habe, ist meine persönliche Erfahrung und meine Art, wie ich Yoga liebe und auch unterrichten möchte. Eine Yogini wie ich, die die Stille liebt und auch sucht, wird in lauten Yogaklassen ihr Yogaglück nicht finden. Wie ich schon in einem älteren Blogpost geschrieben habe, ist der Yoga so viel mehr als Dehnen und Strecken.
Wenn ich still werde, merke ich erst mal den ganzen Wahnsinn, der in mir abgeht. Das kann sich auch im Körper zeigen, dass ich zum Beispiel gar nicht still sitzen/liegen/stehen kann. Hier versuche ich in mich hinein zu fragen: „Was ist hier gerade los?“ „Was hindert mich daran, jetzt, hier in diesem Moment, ruhig und still zu sitzen?“ Ich kann anfangen mich mit mir auseinanderzusetzen, beginnen die (Hinter-) Gründe zu sehen. Das kann schmerzvoll sein – ja. Aber es kann auch eine Erleichterung sein, dass ich mir endlich mal Zeit für mich nehme! Und wenn ich dann passende Asanas praktiziere, kann das den Himmel auf Erden bedeuten!
Im traumasensiblen Yoga sagt man häufig, dass die TeilnehmerInnen keine langen Ruhephasen aushalten und es die Gefahr birgt, dass es zu Flashbacks, Panikattacken, usw. kommen kann. Da ist tatsächlich was dran. Gerade für Menschen mit einer Traumafolgestörung kann es sehr beängstigend sein, sich alleine und in Stille auf die Yogamatte zu begeben. Und absoluten YogaanfängerInnen würde ich auch nicht empfehlen ohne Anleitung auf die Matte zu gehen und zu gucken „was da so hochkommt“. AnfängerInnen brauchen eine gute Balance zwischen Aktion und Ruhe im Yoga. Unter guter Anleitung und je geübter man im Yoga wird, desto länger kann auch die Pause werden und die Stille genossen werden.
Stille darf sich gut anfühlen!
Wenn wir allerdings aus Angst gar keine Stille im Yoga zulassen, dann verpassen wir womöglich auch den Moment, wo es sich ganz leicht anfühlt.
Ein Moment, in dem wir Ganzheit erleben.
Namasté.
Jenny
P. S. Die Inspiration für das Thema „Stille“ habe ich von Ramona, die in ihrem Email-Kurs „Wortfunken“ jede Woche ein Wort mit ihren Anmerkungen, Ideen und Inspirationen in mein Emailfach flattern lässt.