Innendialog auf der Yogamatte

Seit geraumer Zeit geistert durch Social Media die Annahme, dass Yoga einfach nur gut tut und man sich danach immer wie „neu geboren“ fühlt. Wie ich bereits in einem früheren Blogpost geschrieben habe, war und ist das bei mir nicht immer der Fall. Auch heute nach so vielen Jahren Yogapraxis gehe ich nicht auf die Matte, um mich danach erfrischt und gut zu fühlen. Das macht ein Spaziergang an der frischen Luft schneller und besser!

Ich praktiziere Yoga um in Kontakt mit meinem Inneren und meinem Körper zu treten. 

Und dabei versuche ich ohne vorherige Absicht die Matte zu betreten. Selbstverständlich kann man Asanas dafür nutzen, um zum Beispiel Rückenschmerzen zu lindern. Sehr gut sogar. Das mache ich auch. Aber für mich fühlt es sich dann nicht immer nach dem Yoga an, den ich sonst praktiziere. Es fühlt sich dann eher nach Gymnastik mit Atmen an, ohne den Yoga (und auch die Gymnastik) beleidigen zu wollen. Der Yoga steht dir bei physischen Problemen wunderbar zur Seite. Ganz klar. Und gerade bei Schmerzen kann er sich wie ein Lebensretter anfühlen.

Aber wenn ich hier von Yoga spreche, dann meine ich den Yoga, der dir Fragen stellt: Wer bist du? Wer bist du, wenn du alles Äußere ablegst? Wenn du dich nicht versteckst hinter der stylischen Yogakleidung und dem hippen Smoothie in deiner Hand? Oder ganz simple: Wie geht es dir heute? Und diese, auf den ersten Blick so einfache Frage, entpuppt sich auf den zweiten Blick als die schwierigste Frage von allen. Wie geht es dir?

Und dann beginnt auf der Matte der Dialog.  

Und manchmal muss ich ganz genau hinhören, was mir mein Körper, meine Seele, mein Innerstes sagen möchte. Es ist gar nicht leicht mich selbst bewusst wahrzunehmen und mir selbst vorurteilsfrei zuzuhören. Das ist wahnsinnig schwer. Ich finde das wahnsinnig schwer! Denn natürlich laufe ich Gefahr auch Dinge zu hören, die nicht schön, easy und angenehm sind. Die Antworten können meine Yogapraxis völlig auf den Kopf stellen und ich kann plötzlich nicht mehr so einfach jede Asanapraxis praktizieren. Und bei mir führte es dazu, dass ich keinen Gruppenkurs mehr besuchen möchte, der Yoga „von der Stange“ anbietet. Ich kann den Yoga dort zwar manchmal als schön empfinden, aber das hat nichts damit zu tun, was der Yoga mir gibt, wenn ich ihn bewusst, achtsam und intuitiv praktiziere.

Ein Beispiel, wie meine Yogapraxis auch zu Hause ins Wanken geriet:

Ich übte eine zeitlang sehr intensiv Rückbeugen. Ich wollte mein Herz öffnen, Altes loslassen, mich frei machen von alten Denkmustern. Nach jeder Yogasequenz, die sich sehr auf Rückbeugen fokussierte, ging es mir schlecht. Ich war sehr verunsichert, weil die Rückbeugen überall als sehr positiv beschrieben werden. Mein Ego sagte mir pausenlos, dass es Zeit sei all die ollen Geschichten ein für alle mal loszuwerden. Ich müsse nur üben, dann würde es sich leicht und frei anfühlen. Mhmm… immer wenn ich mir selbst etwas von „du müsstest nur…“, „wenn du nur hart genug…“ erzähle, werde ich hellhörig! Da stimmte etwas nicht.

Als ich diese Sätze zur Seite schob und begann nach Innen zu lauschen und dort genau hinzuhören, spürte ich, dass es meiner Seele gar nicht so gut tat, wenn ich in die tiefen Rückbeugen ging! Ich hörte plötzlich, dass es meinem Herz gar nicht danach war sich weit zu öffnen. Es sagte mir, ganz leise, dass es Schutz brauchte. Ich spürte plötzlich den alten Schmerz und Kummer auf eine andere Art und Weise. Er war nicht mehr mein Feind! Er zeigte sich als mein Freund, der noch gar nicht dran war losgelassen und weggeschickt zu werden. Er wollte erst einmal angeschaut und wahrgenommen werden. Welch eine Erkenntnis!

Das Wahrnehmen von Gefühlen braucht Zeit. Und wenn ich noch hundert mal Rückbeugen geübt hätte, hätte sich da, zu diesem Zeitpunkt, nichts gelöst. Im Gegenteil. Wenn wir im Yoga nicht achtsam und geduldig praktizieren, werden wir uns Schaden zufügen. Auf körperlicher ebenso wie auf der seelischen Ebene.

Und das meine ich mit Innendialog im Yoga. Achtsames (Selbst-)Zuhören. Denn nur so verstehen wir, wie wir ticken, was uns bewegt und was und wie wir Yoga praktizieren sollten: Achtsam. Aufmerksam. Ehrlich.

Namasté.

Jenny.